WolfVox (GER) hat geschrieben:@Bazooka
Vorab:
Die Karrikaturen waren für ein Kinderbuch bestimmt - Sie können deshalb wohl nicht soo schlimm gewesen sein.
Was daran jedoch verwerflich ist oder war, ist die Tatsache, dass in der muslemische Welt jegliche Darstellung
Mohammeds u.a. eine Sünde und verboten ist - egal wie harmlos oder "Menschlich" dieser dabei dargestellt sind.
Soweit ich das mitbekommen habe, waren die Karrikaturen nicht für das Kinderbuch gedacht, sondern man hat keinen gefunden, der die Bilder für das Kinderbuch machen wollte (in der Reihe über Weltreligionen fehlte noch das Buch über den Islam) eben wegen dem was jetzt passiert ist (evtl haben die Karrikaturisten auch an Salman Rushdi gedacht, wobei der damit sogar Reich geworden ist) und genau darüber hat sich der Karrikaturist mit seinen eher schlechten Bildern lustig gemacht.
Eine der Karrikaturen konnte ich bewundern, Mohamed hat da nen Turban auf, in dessen Mitte sich eine Bombe mit brennender Zündschnur befindet - naja recht geschmacklos
Soviel zu dummen Menschen, die über etwas reden, was Sie nie zu Gesicht bekommen haben - jemanden zu beurteilen, der handelt, obwohl er die fraglichen Bilder nie zu gesicht bekommen hat, ist in meinen Augen genauso dumm, wie zu handeln, ohne die Bilder gesehen zu haben
Gewalt lehne ich natürlich ab, kann aber verstehen was die Menschen dazu treibt.
In meinem Studium der Ethnologie habe ich gelernt, dass die Hauptaufgabe darin besteht eine Kultur, Weltauffassung und Lebenseinstellung zu dokumentieren, bevor sie von der westlichen Kultur vernichtet wird.....was leider an der tagesordnung ist. Entwicklungshilfe ist in 90% der Fälle moderner Kolonialismus, westliche Schulbildung, Jeans und CNN ist bestimmt nicht das, was eine von der westlichen Kultur schon fast zerstörte Gesellschaft benötigt.
Man denke an das ganz tolle Frauenbuch "Nicht ohne meine Tochter" in dem direkt nach dem Zusammenbruch des bisherigen, großen, bösen Gegeners der westlichen Welt (der Ostblock) angefangen wurde zu hetzen gegen die bösen unzivilisierten Muslimen - wenn der Pöbel seinen Teufel nicht hat, dann ist er nicht zufrieden....
Womit am liebsten gegen den Islam gewettert wird (obwohl das nichts mit dem Islam, sondern der jeweiligen Kultur zu tun hat) ist die Beschneidung von jungen Frauen und eine gutes Beispiel für die Überheblichkeit, mit der die westliche Welt an diese Gesellschaften rangeht - wer gibt uns das recht diese Gesellschaft zu beurteilen.
Afrikanische Ethnologinen (die haben eine sehr interessante, wissenschaftliche Sicht auf die europäische Kultur - sehr lesenswert) haben sogar einen ausdrücklich an ihre "große Schwestern" im Westen gerichteten Text verfasst, indem sie sinngemäß sagen, dass die Frauenvereine, die sich darum kümmern wollen, dass die Beschneidung abgeschafft wird, sich gefälligst um Ihren eigenen Scheiß kümmern sollen und sich nicht in interne Angelegenheiten einmischen sollen, da ein Außenstehender überhaupt nicht beurteilen kann, was das bedeutet für eine Gesellschaft.
Veränderungen dürfen nicht von außen diktiert werden, da immer ein anderes Wertesystem angewendet wird - eben das westlich, demokratische Wertesystem, das keinesfalls allgemeingültigkeit hat für alle Menschen auf der Welt.
Aber der duchschnittliche westliche Mensch ist dermaßen in diese überheblichen, ekeleregenden Einstellung erzogen worden, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und sehr wohl urteilen zu können, ohne die Gesellschaft und ihre Geschichte kennen zu müssen.
Als kleines Offtopic Beispiel kann ich noch eine Gesellschaft in Mikronesien anführen, in deren Kultur das Sperma eine wichtige Rolle spielt, Jungen ab ca 6 Jahren wurden in dieser Gesellschaft in den Arsch gef**** und haben den ältesten regelmäßig einen geblasen - verstehen kann man das nur, wenn man versucht sich genauer mit der Gesellschaft, deren Religion und Kultur zu beschäftigen.
Als Messlatte, wie restriktiv eine Gesellschaft ist, wird in der Ethnologie häufig die Selbstmordrate unter Jugendlichen angeführt, in der westlichen Welt ist diese wesentlich höher gewesen zu der Zeit als westliche Entwicklungshelfer der Meinug waren, dass diese Gesellschaft menschenverachtend ist und missioniert gehört mit der westlichen Weltauffassung - diese Kultur ist damit gestorben und hat sich in die Slums gut intrigiert. Tolle Leistung......
Versteht mich nicht falsch, ich bin in der westlichen Kultur groß geworden (meine Familie läßt sich bis zu den Hugenotten zurückverfolgen) und habe diese Brille auch aufgesetzt gekommen, durch die ich die Welt sehe und natürlich auch beurteile, aber wenn man genug Mut hat und auf diese Brille hingewisen wird, kann man diese Brille durch andere (z.B. die wissenschaftliche, ethnologische Brille) ersetzen - ganz ohne eine Brille rennt man nie durch die gegend, was man wissen und akzeptieren muss, um überhaupt ein Urteil über die eigene oder andere Kulturen abgeben zu können.
Ich habe hier immer wieder gelesen, dass die Menschen, die sich über eine überhebliche und beleidigende Karrikatur aufregen, die sie nie gesehen haben auf Bild Zeitungs Niveau sind - die allgemein vorherrschende Meinung, dass das dumme, ungebildete Extremisten sind, die nur manipuliert werden von einigen Hassrednern immer wieder in anderen Worten auszudrücken ist in meinen Augen auf einem deutlich niedrigerem Niveau, und zeugt von einer unreflektierten Wiedergabe der allgemein vorherrschenden westlichen Auffassung.
Der Westen versucht alles (nachdem der offensichtliche Kolonialismus anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu verteidigen war gegen die eigene Weltauffassung) die Welt jetzt durch das subtil-aggressive Verbreiten der eigenen Weltaufassung zu erobern und hat es schon fast geschafft, jede andere Kultur steht mit dem Rücken zur Wand, und hat in meinen Augen jedes Recht sich gegen diesen hinterhältigen Überfall des Westens zu wehren.
Das ganze hat natürlich wirtschaftliche Gründe, solange wir Kulturen zerstören und Meschen die ihre Kultur verloren haben in wirtschaftliche Abhängigkeit drängen, können wir unseren Lebensstandard sichern - es gibt keine billigeren Arbeitskräfte als die verzweifelten Menschen in Slums, solange die für 3€ im Monat 14h am Tag auf Bananen, Kakao, oder Kaffee Plantagen arbeiten ist unser Nachschub gesichert.
Jetzt fängt eine Kultur an das zu erkennen und wehrt sich - vermutlich haben einige in unserer Kultur verstanden dass selbst der moderne subtile Kolonialismus nicht mehr lange zu verteidigen ist gegen die eigene Weltaufassung und fängt an den dummen Pöbel gegen diese Kultur aufzuhetzen - mit Erfolg wie ich an diesem Thread feststellen musste
Fazit: etwas Bildung und kritische Auseinandersetzung mit den Quellen und der eigenen Kultur könnte helfen Verständniss aufzubauen und Vorurteile abzubauen
mfg tyler