Teil 4: Die letzte Chance
ZDF, Dienstag der 30. März 2004, 20.15 - 21.00 Uhr
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,187 ... 62,00.html
Über die verwendeten Begriffe "...waren Helden..." und "...ein erfolgreicher Anschlag hätte den Krieg verkürzt..." etc. könnte man sicher ganze Foren fülllen und wäre so schlau / naiv wie zuvor."Am 20. Juli war es zunächst unsicher, ob die Sache gelingen würde. Viele waren sehr vorsichtig und wollten erst einmal abwarten, wie die Dinge sich entwickelten. Das ist natürlich für einen Umsturz in einer derartigen Situation tödlich. Wenn jeder erst einmal abwarten will, wie es läuft, kann es schlecht funktionieren", erinnert sich Ewald von Kleist, als junger Offizier Mitverschwörer des 20. Juli 1944.
»Wir hörten am 20. Juli, dass es ein Attentat gegeben habe und dass es gescheitert war.
Da fiel eine Nacht über einen herein, die einen nicht mehr verlassen hat bis zum Kriegsende.«
Richard von Weizäcker
Nicht aus der Deckung gewagt
Ohne die Gewissheit von H. Tod wagten sich die meisten Befehlsträger, auf deren Unterstützung der Umsturzplan gründete, nicht aus ihrer Deckung. Drei Stunden ließen die Mitverschwörer im Bendlerblock verstreichen, weil sie den Befehlshaber des Ersatzheeres Generaloberst Friedrich Fromm nicht überzeugen konnten, sich dem Putsch anzuschließen.
Erst als Stauffenberg am späten Nachmittag eintraf und Fromm verhaftete, wurde "Walküre" ausgelöst: Mit diesem Codewort sollten die Wehrkreiskommandos mobilisiert werden - doch bei den meisten Adressaten herrschte schon Dienstschluss. Gleichzeitig aus dem "Führerhauptquartier" eintreffende Fernschreiben verwirrten die Lage, wie der wachhabende Nachrichtenoffizier im Bendlerblock, Erwin Schenzel, zum ersten Mal berichtet: "Es war alles völlig konfus. Und allmählich sickerte die Nachricht durch, dass H. lebte".
»Es ist nicht gut gegangen. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass es gut war, dass es wenigstens versucht worden ist. Es hat der Welt, der Nachwelt und den heute lebenden Deutschen gezeigt, dass nicht das ganze deutsche Volk Adolf H. verfallen war.«
Helmut Schmidt
Im Stich gelassen
Besonders dramatisch war die Lage in Paris: Hier hatten die Verschwörer, die sich um General von Stülpnagel gesammelt hatten, schon damit begonnen, Gestapo und SS zu entwaffnen und gefangen zu setzen. Doch als Generalfeldmarschall von Kluge, Oberbefehlshaber im Westen, am Abend erfuhr, dass H. überlebt hatte, versagte er dem Aufstand seine Unterstützung. "Ja, wenn das Schwein tot wäre!", herrschte er Stülpnagel an und beendete damit jede weitere Debatte. Der Umsturz in Paris brach kurz darauf zusammen.
Auch in Berlin waren am späten Abend des 20. Juli alle Illusionen zerstoben. "Sie haben mich alle im Stich gelassen", sagte Stauffenberg kurz vor seiner Verhaftung. Einheiten des Wachbataillons Großdeutschland unter dem Kommando von Major Ernst Remer, hatten die Verschwörerzentrale im Berliner Bendlerblock gestürmt und Generaloberst Fromm freigesetzt. Wenig später hielt dieser im Innenhof des Bendlerblocks ein blutiges Standgericht: Stauffenberg und drei seiner engsten Mitverschwörer wurden erschossen.
H. Rache
Das Regime rächte sich in einem wahren Blutrausch gegen das eigene Volk. "Ich will, dass sie gehängt werden, aufgehängt wie Schlachtvieh", wies H. den Präsidenten des "Volksgerichtshofs", Roland Freisler, an. Der Scharfrichter des Regimes inszenierte den zynischsten Schauprozess der Geschichte; 2400 Menschen wurden verurteilt, Hunderte ermordet. Viele entzogen sich der Rache des Regimes durch Selbstmord.
Freislers Schauprozesse wurden mitgefilmt, doch gezeigt werden durften sie nicht. Denn sie enthüllen, dass die Angeklagten keine "Lumpen" waren, wie es Freisler immer wieder herausschrie, sondern einsame Helden.
NS-Kinderheim Bad Sachsa im Südharz.
Nach dem 20. Juli 1944 wurden hier 49 Kinder aus 19 sogenannten "Verräterfamilien" "verwahrt".
Die Rache des Regimes machte auch vor den Familien der Verschwörer nicht halt: Angehörige wurden in "Sippenhaft" genommen, Kindern ihren Eltern entrissen und in Heimen, die die Gestapo kontrollierte, untergebracht. Sie alle sollten "ausgerottet werden bis ins letzte Glied", wie es SS-Chef Himmler im August 1944 in einer Rede an die Gauleiter formulierte.
Die Urteile an den Männern des 20. Juli wurden in Berlin-Plötzensee vollstreckt - an Fleischerhaken.
Gefilmte Hinrichtung
Auch die Hinrichtung der Verschwörer ließ H. filmen. Der Film gilt seit Jahrzehnten als verschollen. Doch Zeitzeugen, die das schreckliche Dokument von der blutigen Rache gesehen haben, berichten darüber. Darunter H. Filmvorführer, der sich zum ersten Mal öffentlich äußert: "Ich führte einen Film vor, der aus verschiedenen Perspektiven die Verschwörer am Galgen zeigte. Er wurde in Gruppen von zwölf bis 15 Personen gezeigt und natürlich war auch H. dabei".
Der Film beschreibt Scheitern und Folgen der letzten Chance, das Terrorregime H. zu beenden - und ihren Widerhall. Welchen Nutzen hätte ein erfolgreiches Attentat auf H. gehabt? Nach der Landung der Alliierten im Juni 1944 war auch den Verschwörern klar, dass ein Anschlag auf H. das Reich nicht mehr retten, allenfalls den Krieg verkürzen konnte.
Doch auch wenn der Putsch spät gekommen wäre - sinnlos wäre er nicht gewesen.
Hohe Opferbereitschaft
Vom 20. Juli 1944 bis zum Kriegsende im Mai 1945 starben mehr Menschen im Zweiten Weltkrieg als in den Jahren zuvor. "Den Tod von Menschen zu verhindern, war eine unglaublich wichtige Sache", meint Ewald von Kleist.
Dafür waren die Verschwörer bereit gewesen, ihr eigenes Leben zu opfern.
Unbestreitbar dürfte aber wohl sein, wenn einer der ersten der knapp 40 geplanten / ausgeführten Anschläge auf AH am Anfang des WKII bereits erfolgreich gewesen wäre, würde heutzutage die Welt in einem völlig anderen Gesicht erscheinen.
Vor allem was und wie die Deutschen über sich selbst und andere über die damalige Zeit denken und schreiben.